Künstliche Intelligenz

Mit Inkrafttreten der KI-Verordnung am 1. August 2024 hat die Europäische Union die Segel für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz gesetzt – und navigiert seither durch regulatorisches Neuland. Die tiefgreifenden Veränderungen durch diese Technologie spiegeln sich in einem Regelwerk wider, das mit unbestimmten Rechtsbegriffen und großen Interpretationsspielräumen operiert. Die Folge: erhebliche Rechtsunsicherheit für die Werbewirtschaft, die nun dringend Konkretisierung und Präzisierung fordert – insbesondere im Hinblick auf die branchenübergreifenden Kennzeichnungspflichten der Verordnung.

DEEPFAKE-FATIGUE: TECHNIKAVERSE TRANSPARENZPFLICHT ZULASTEN DER WERBEWIRTSCHAFT?

Die Werbewirtschaft sieht sich in besonderem Maße von der Transparenzpflicht nach Art. 50 Abs. 4 der KI-Verordnung betroffen. Ab August 2026 sind Werbungtreibende und Agenturen verpflichtet, ihre werblichen Bild-, Ton- oder Videoinhalte als KI-Produkt zu kennzeichnen, sofern diese mithilfe von KI-Systemen erstellt oder auch nur unterstützt wurden (sogenannte Deepfakes).

Die Rechtsvorschrift eröffnet sowohl in Bezug auf den Regelungsgegenstand (Was muss gekennzeichnet werden?) als auch hinsichtlich der Transparenzmodalität (Wie muss gekennzeichnet werden?) weite Spielräume. Dies wird unweigerlich zu erheblicher Rechtsunsicherheit in der Praxis führen, wodurch sich gerade die Werbebranche aufgrund der diversen Anwendungsfelder innerhalb der Wertschöpfungskette mit weitreichenden Auswirkungen konfrontiert sieht.

Die Werbewirtschaft fordert daher Klarheit in der Rechtsauslegung und -anwendung – insbesondere durch die anstehenden Leitfäden und (bindenden) Durchführungsrechtsakte des AI-Office der Europäischen Kommission. Der ZAW setzt sich maßgeblich dafür ein, dass diese in enger Abstimmung mit der Werbewirtschaft entwickelt werden, um eine Kennzeichnung zu etablieren, die sowohl wirtschaftlich praktikabel als auch verbraucherschützend sinnvoll ist. Eine übermäßige Kennzeichnungspflicht käme dagegen einem regulatorischen Schiffbruch gleich.

Dabei sieht der ZAW eine bedeutende Chance in einer Selbstregulierung durch und für die Branche, die pragmatische, zeitsparende und kosteneffiziente Lösungen bieten kann und gleichzeitig durch die Leitlinien des AI-Office an klare exekutive Rahmenbedingungen geknüpft wäre. Als Träger dieser Selbstregulierung bieten sich insbesondere die bestehenden Institutionen der Werbewirtschaft an, die mit ihren Verhaltensregeln bereits heute gewährleisten, dass über gesetzliche Vorgaben hinaus allgemein anerkannte gesellschaftliche Werte wie Anstand, Moral und soziale Verantwortung in der Werbung gewahrt bleiben.

Hier gehts es zum Diskussionspapier zur KI-Transparenzpflicht | English Version

WEITERE BAUSTELLEN

Die Werbewirtschaft sieht sich letztlich durch die KI-Verordnung mit mehr Fragen konfrontiert, als sie Antworten erhält: Neben den Transparenzpflichten werfen auch urheberrechtliche und haftungsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI-Systemen erhebliche Unsicherheiten auf. Selbst die durch die Verordnung selbst aufgeworfene Thematik verbotener KI-Systeme lässt sich anhand des Gesetzes nicht hinreichend beantworten.

Die Branche sollte daher den bestehenden regulatorischen Graubereich proaktiv adressieren und die Verantwortlichkeiten für den Einsatz von KI-Systemen klar und rechtssicher zwischen den beteiligten Parteien in ihren Agenturverträgen regeln. Nur dadurch lässt sich Rechtssicherheit in einem unbefriedigenden Rechtsgefüge herstellen. Stand: April 2025