Datenschutz & Digitales
Die digitale Werbewirtschaft steht weiterhin in einem komplexen Spannungsfeld zwischen etablierten Datenschutzanforderungen, neueren europäischen Gesetzen und der Regelungsmacht von Plattformen. Dabei hängen die freie Zugänglichkeit und Vielfalt digitaler Angebote wie auch die Wettbewerbsfähigkeit werbender Unternehmen von tragfähigen, praktikablen und fairen Rahmenbedingungen für datenbasierte Geschäftsmodelle ab.
NATIONALE EBENE: INKRAFTTRETEN DER EINWILLIGUNGSVERWALTUNGSVERORDNUNG (EINWV)
Zum 1. April 2025 trat die EinwV mit dem Ziel in Kraft, durch sogenannte anerkannte Dienste zur Einwilligungsverwaltung (DzEV) die Zahl der Cookie-Banner auf Webseiten deutlich zu reduzieren und Einwilligungsverfahren zu erleichtern. Der ZAW hat die Entwicklung der EinwV intensiv begleitet und dabei stets darauf hingewiesen, dass für eine verpflichtende Einbindung solcher Dienste eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein müssen. Die verabschiedete Verordnung verfolgt einen freiwilligen Ansatz, der Bundestag thematisierte bei der Verabschiedung der EinwV jedoch eine Prüfung zur Pflichtregulierung. Der ZAW warnt davor, dass die Einführung solcher Dienste ohne ein eigenständiges Einwilligungsmanagement digitale Geschäftsmodelle und Wettbewerbschancen gefährden könnte – und damit mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Das Thema könnte künftig die EU-Politik beschäftigen. Die Ursache für sämtliche Einwilligungserfordernisse wurde dort gesetzt, die EU-Kommission hat Initiativen angekündigt, die die Zulässigkeitsbedingungen für Datenverarbeitungen und deren Modalitäten betreffen.
IRRUNGEN UND WIRRUNGEN UM „PAY OR OK“
Ein mittlerweile weit verbreitetes Geschäftsmodell werbefinanzierter, digitaler Dienste firmiert unter der Bezeichnung „Pay or ok“. Die Nutzer können entscheiden: Entweder sie willigen in personalisierte Werbung und Datenverarbeitung ein, oder sie zahlen eine Abonnementgebühr für die Inanspruchnahme des Dienstes ohne werbewirtschaftliche Datenverarbeitung. Klicken Nutzer auf „ok“, treffen sie eine echte Wahl zugunsten der Nutzung gegen Preisgabe von Daten anstatt von Geld. Der Ansatz entspricht marktwirtschaftlichen Prinzipien und verdeutlicht, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung geben kann. Die weitergehend erhobene Forderung, digitale Dienste auf jeden Fall zugänglich zu machen, d.h. zusätzlich zur Wahlmöglichkeit zwischen „Pay or ok“ die Nutzung entgeltfrei ohne werbewirtschaftliche Datenverarbeitung anbieten zu müssen, ist hingegen weder tragfähig noch wünschenswert. Sie würde in weitaus mehr (aber weniger relevanter) Werbung oder in mehr kostenpflichtigen Angeboten münden, d.h. letztlich weniger freien Zugang zu Informationen, Journalismus, Unterhaltung, Kultur, Sport, Service. Nach Ansicht des ZAW kommen, wenn überhaupt, weitergehende Anforderungen an Einwilligungen bei „Pay or Ok“ nur dann in Betracht, wenn ein digitaler Dienst marktbeherrschend ist.
Die Daten- und Digitalgesetzgebung ist die Domäne der EU. Sie hat in den letzten Jahren, nach Meinung nicht weniger Beobachter, teilweise vorschnell, unabgestimmt und zu wenig wettbewerbsorientiert eine ganze Kaskade einschlägiger Gesetze verabschiedet. Trotz öffentlicher Bekenntnisse für eine kohärentere Gesetzgebung und mehr Wettbewerbsfähigkeit arbeitet die EU-Kommission bereits an weiteren Schutzregulierungen. Die erste Evaluation des Digital Service Act läuft gerade, da hat die zuständige Generaldirektion bereits eine Studie in Auftrag gegeben, die auf eine weitere Regulierung des digitalen Werbemarkts hindeutet. Zugleich drängt sie auf mehr oder minder freiwillige Kodizes, die sich die Branche auferlegen soll, um auf diese Weise Marktdesign zu betreiben. Das Spektrum reicht von der Bekämpfung sogenannter „schädlicher Inhalte“ über „sichere Werbeumfelder“ bis hin zu alternativen Refinanzierungsmodellen ohne Datennutzung. Eine andere Generaldirektion will gegen „Dark Patterns“ vorgehen und die bestehende Regulierung ausbauen, während andere Teile der Kommission eine Reform der Datenschutzgrundverordnung anstreben.
Eines ist sicher: Der Bedarf für eine informierte und vernetzte Interessenvertretung wird in den nächsten Jahren nicht kleiner. Die Erfahrung lehrt: Kohärenz, Verhältnismäßigkeit, Praktikabilität und Wettbewerbstauglichkeit europäischer Rechtsetzung im Digitalbereich stellen sich nicht von selbst ein. Sie müssen eingefordert, erklärt und verteidigt werden. Stand: April 2025
