Greenhushing – kein Schreckgespenst, sondern eine reale Gefahr
von Stefanie Lefeldt
Im März 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über Umweltangaben (2023/0085 (COD))[1] vorgestellt. Das Europäische Parlament und der Rat haben ihre Standpunkte in eingenommen und der Trilog steht bevor.
Wie immer gibt es unterschiedliche Standpunkte, die seit Veröffentlichung des Vorschlags, geäußert werden: Die Wirtschaft warnt u.a. vor einem Bürokratiemonster, welches durch Vorabprüfungen, Nachweise, Kosten und überhaupt nicht absehbare Zeitspannen geprägt sein wird. Verbraucherschützer behaupten, dass die Wirtschaft ein „Schreckgespenst“ erschaffe, sofern sie darauf hinweise, dass es zu sog. „Greenhushing[2]“ kommen könne.[3]
Grüne, irreführende Werbung
Natürlich ist die Werbewirtschaft kein Unterstützer von irreführender Werbung. Es ist wichtig, Verbraucherinnen und Verbraucher durch einen wirksamen Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen zu stärken. Es liegt auch im Interesse der Unternehmen, irreführenden Behauptungen vorzubeugen und wahrheitsgemäße werbliche Umweltangaben zu fördern. Umweltangaben sind zu einem Wettbewerbsfaktor geworden, da sie für Kaufentscheidungen von Konsumenten eine immer wichtigere Rolle spielen.
Gibt es da noch keine Regeln?
Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, UGP-Richtlinie) legt innerhalb der EU bereits seit Jahrzehnten einheitliche Regelungen in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken (Artikel 4 UGP-Richtlinie, Prinzip der Vollharmonisierung) fest. Auch wenn diese bislang keine spezifischen Vorgaben zu Umweltangaben enthielt: Das Verbot irreführender Werbung erfasst auch die Werbung mit irreführenden Umweltangaben. Und so sehen wir in den letzten Monaten: es entwickelt sich in Deutschland und auch anderen Mitgliedstaaten Rechtsprechung zum Thema Umweltangaben. Es erscheint es nicht immer sinnvoll, die Entwicklung von höchstrichterlicher Rechtsprechung zu unterbinden, indem parallel versucht wird, über die Schaffung neuer Vorgaben Klarheit zu schaffen. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel im März 2024 Änderungen in der UGP-Richtlinie beschlossen, die die Verwendung von sog. allgemeinen umweltbezogenen Werbeaussagen betrifft und die jetzt von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Wie diese neuen Regelungen die Kommunikation von Umweltaussagen beeinflussen ist noch gar nicht absehbar.
Warum Greenhushing?
Artikel 10 des von der EU-Kommission vorgelegten Entwurfs legt fest, dass die Begründung von ausdrücklichen Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation durch Dritte (sog. Prüfstellen (Artikel 11)) überprüft und zertifiziert werden muss, bevor die Aussage im Rahmen von kommerzieller Kommunikation verwendet werden darf. Dies verursacht zunächst zahlreiche Kosten für Unternehmen. Die Kommission beziffert die Kosten für die Begründung der Umweltangaben auf zwischen 500 (für einfache Angaben) und 54.000 Euro (für Angaben über ganze Unternehmen). Zu diesen Kosten für die notwendigen Nachweise kommen noch die Kosten der Prüfstellen.
Nun ist es aber nicht so, dass das Unternehmen jetzt einen Haken an seine Umweltangabe setzen kann. Artikel 9 des von der EU-Kommission vorgelegten Entwurfs legt fest, dass die Informationen, die zur Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen herangezogen werden, spätestens nach 5 Jahren geprüft und aktualisiert werden müssen. Der bürokratische Prozess geht dann also von vorne los, nachdem überhaupt nicht klar ist, wie lange die „Erst-Verifizierung“ überhaupt dauern soll. Der Kommissionsentwurf sieht hier keine Fristen vor.
Darüber hinaus besagt der Vorschlag, dass eine Konformitätsbescheinigung einer Umweltangabe einer Bewertung durch nationale Behörden oder Gerichte, die die Richtlinie 2005/29/EG (UGP-Richtlinie) durchsetzen, nicht vorgreift. Dies schafft Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, da sie trotz Konformitätsbescheinigung mit unterschiedlichen Auslegungen und Bewertungen konfrontiert werden können.
Als kleines oder mittelständisches Unternehmen muss man sich also die Frage stellen: Lohnt es sich wirklich, diesen kostenintensiven und bürokratischen Aufwand zu betreiben, um in der kommerziellen Kommunikation mitzuteilen, dass man sich nachhaltig verhält? Zahlreiche Unternehmen werden sich dagegen entscheiden. Dies läuft den gesetzten Zielen des europäischen Green Deals zuwider und fördert nach Auffassung des ZAW sog. „Greenhushing“.
Die Position des ZAW zu einem Vorschlag für eine Richtlinie über
Umweltangaben
[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52023PC0166&from=EN
[2] Aus Angst vor erheblichen wirtschaftlichen Risiken, rechtlichen Konsequenzen oder bürokratischen Hürden verzichten Unternehmen darauf, werbliche Umweltangaben zu kommunizieren, obwohl sie sich nachhaltig verhalten.
[3] https://background.tagesspiegel.de/agrar-ernaehrung/greenhushing-ist-nichts-als-ein-schreckgespenst