Medien- und Werbewirtschaft begrüßt Vorgehen der Europäischen Kommission gegen Google wegen Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich der Online-Werbetechnologie („AdTech“)
Die Europäische Kommission hat Google gestern Beschwerdepunkte wegen eines möglichen Missbrauchs von Marktmacht im Bereich der Online-Werbetechnologie übermittelt.
Hintergrund der seit Juni 2021 laufenden Untersuchung sind verschiedene Begünstigungspraktiken auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette für den programmatischen (Ver‑)Kauf von Online-Anzeigenwerbung. Mit den nun als missbräuchlich eingestuften Verhaltensweisen verschafft Google nach Ansicht der Kommission seiner eigenen Werbebörse AdX (heute Teil von Google Ad Manager) seit mindestens 2014 vorsätzlich und unrechtmäßig Wettbewerbsvorteile und verdrängt so Konkurrenten auf den betroffenen Märkten – zum Nachteil der gesamten werbungtreibenden Industrie. Nach der zutreffenden Analyse der Kommission betreibt Google auf allen Ebenen dieser Wertschöpfungskette zentrale Dienste für den Kauf, die Vermittlung, das Ausspielen, die Erfolgsmessung und das Verwalten von Werbeanzeigen, die auf den jeweiligen Märkten marktbeherrschend sind.
Die EU-Kommission hat zahlreiche Interessenskonflikte identifiziert, denen Google bei der Vermittlung von Online-Anzeigenwerbung wegen seiner Tätigkeit auf allen Wertschöpfungsstufen und insbesondere wegen des Auftretens zugleich auf Seiten der Käufer sowie der Verkäufer von Werbeplätzen unterliegt und die zu Lasten anderer Marktteilnehmer zum Vorteil des Konzerns ausgenutzt wurden. Nach der Auffassung der Kommission lassen sich derart gravierende, inhärente Interessenskonflikte nur mit strukturellen Maßnahmen ausräumen. Daher hat die Kommission eine Entflechtung verschiedener Google-Dienste als Abhilfemaßnahmen vorgeschlagen.
Ein breites Bündnis aus Spitzenverbänden der deutschen Medien-, Internet- und Werbewirtschaft hatte sich zuvor im Rahmen dieses Kartellverfahrens ebenfalls an die Europäische Kommission in Brüssel gewandt. Die Verbände begrüßen die getroffene Entscheidung; insbesondere die für notwendig erachteten strukturellen Abhilfemaßnahmen.
Prof. Dr. Thomas Höppner, Partner der auf Medien- und Kartellrecht spezialisierten Kanzlei Hausfeld, die die Verbände in diesem Verfahren vertritt, sagt zu der gestrigen Abmahnung:
„Online-Werbung ist das Lebenselixier des Internets. Durch die abgemahnten Verhaltensweisen hat Google seine zentrale Rolle auf allen Ebenen der Vermittlung von Online-Werbung missbraucht. Der Digitalgigant hat Herausgeber von Webseiten (Publisher) sowie Werbungtreibende (Advertiser) massiv geschädigt, insbesondere durch überhöhte Gebühren und Erschwerung von Innovation auf dem Markt. Googles Marktmissbrauch geht letztlich zu Lasten der Medienvielfalt und der Verbraucher. Der Vorschlag, die verschiedenen Bereiche des Unternehmens aufzuspalten, ist weitreichend und in dieser Form erstmalig. Die vergangenen Verfahren gegen Google haben aber gezeigt, dass Verhaltensauflagen nicht ausreichen, um die Wettbewerbsverzerrungen zu beenden.“
Dass die EU-Kommission andere problematische Verhaltensweisen von Google, die ebenfalls Gegenstand des förmlichen Kartellverfahrens sind (z.B. Googles Pläne, im marktbeherrschenden Chrome Browser sog. Drittanbieter-Cookies nicht mehr zu unterstützen sowie Beschränkungen im Zusammenhang mit Werbung auf YouTube), nicht zum Gegenstand der gestrigen Abmahnung gemacht hat, nehmen die Verbände zum Anlass eine klare Botschaft zu formulieren:
„Wenn wegen der Zustände im Online-Werbesektor nach Meinung der Kommission strukturelle Maßnahmen geboten sind, gebieten es wettbewerbsrechtliche Grundsätze umso mehr, die Anliegen im Bereich anderer eng verzahnter Google-Dienste weiterzuführen. Die Pläne des Konzerns für Chrome und Android sind erst recht inakzeptabel. Alle maßgeblichen Prozesse, Werkzeuge und Datenstrukturen werden in die Hände eines einzigen Unternehmens gelegt. So richtig der Schritt der Kommission ist: Der Umsetzung der weitreichenderen Pläne von Google darf nicht zugeschaut werden, um dann, erst Jahre später, einzuschreiten. Die Kommission hat, wie gestern demonstriert, das erforderliche Rüstzeug zur Hand.“
Das Bündnis besteht aus Verbänden der deutschen Medien- und Kommunikationswirtschaft. Unter dem Dach des ZAW umfasst es unter anderem die folgenden Organisationen (in alphabetischer Reihenfolge):
- BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V.,
- Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.,
- Markenverband e.V.,
- MVFP Medienverband der freien Presse e. V.,
- OMG e.V. Organisation der Mediaagenturen,
- VAUNET – Verband Privater Medien e. V. sowie
- Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V.
Vorgenannte Verbände treten ebenfalls als Beschwerdeführer in einem Verfahren vor dem Bundeskartellamt gegen Apples Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit dem sog. „App Tracking Transparency (ATT) Framework“ auf, in dem es ebenfalls um die Regelsetzungsmacht eines Digitalgiganten im Bereich der Online-Werbung und um den Vorwurf der Selbstbegünstigung geht.